Seh' ich der Völker wechselnde Geschicke,
Der großen Reiche Auf- und Niedergang
Vorüberzieh’n an meinem innern Blicke
In mächt’gem Werdens- und Zerstörungsdrang,
So ist’s als säh' ich sich die Meerflut thürmen
Zu Wogenbergen, die weitschimmernd nahn,
So rasch erhoben von gewalt’gen Stürmen,
Wie rasch zerstoben auf der schwanken Bahn.
Des einen Wiege wird zum Grab des andern,
Doch spur- und namenlos im weiten Reich
Des Meer’s versinken sie nach flücht’gem Wandern,
Im Werden und Vergeh’n einander gleich.
Nicht so die Völker: ihre Namen bleiben
Und künden, welches groß war, welches klein;
Durch That und Wort, mit Schwert und Griffel schreiben
Sie sich in’s Merkbuch der Geschichte ein.
Mein deutsches Volk, wie lang' im Büßerhemde
Gingst Du, ein Spott der andern, durch die Welt!
Jetzt rühmt man Dich daheim und in der Fremde
Als größtes Volk, weil Du gesiegt im Feld.
Du schlugst den äußern Feind — : schlag auch den innen:
Zu Boden, und erneue Dich im Geist,
Daß nicht allein nach Deinen Schlachtgewinnern
Als großes Volk Dich die Geschichte preist.
Es nagt manch gift’ger Wurm an Deiner Blüte,
Aus Lastersümpfen steigt der Fäulniß Hauch;
Die Fackel Deines Genius versprühte
Viel edle Glut, erstickt in Dunst und Rauch.
Empor! mein Volk, daß Du in alter Reinheit
Die Tiefe Deines Geistes offenbarst,
Und Dich im Glanze Deiner neuen Einheit
Nicht schlechter zeigst als Du zersplittert warst.